Hallo,
zufällig bin ich über dieses Forum gestolpert und habe mit Interesse die Beiträge zu diesem Thema gelesen. Da mich als stark an Naturschutz interessierter Betriebsleiter einer mittelgroßen Kläranlage (16.000 Einwohner) die Problematik besonders interessiert musste ich natürlich auch gleich meinen Senf dazugeben. Ich muß allerdings gestehen, daß ich mich erst seit ca. 10 Jahren mit dem Thema beschäftige und somit nichts zu missbräuchlicher Ausbringung - wie es wohl früher öfters vorkam - sagen kann.
Die Klärschlammausbringung ist heute sehr stark reglementiert: neben der maximal erlaubten Menge von 5 to Trockensubstanz (TS) pro ha und 3 Jahren und der erlaubten Flächen (nur noch Äcker) werden auch die Schadstoffe im Klärschlamm und im Boden bestimmt und behördlich überwacht. Und seit dem Inkrafttreten der DüngemittelVO werden auch noch Nährstoffe kontrolliert.
Zum Finanziellen: wir zahlen ca. 10 Euro pro m³ Naßschlamm bei einem Jahresanfall von ca. 14.000 m³ pro Jahr. Aber das ist natürlich von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.
'Stickstoffgehalt des Bodens zerstören': davon habe ich noch nie was gehört.
Boden verseuchen: ich habe noch nie erlebt, daß ein Acker aufgrund langjähriger Beschlammung plötzlich Überschreitungen bei den Schadstoffen ergeben hätte. Zur Verdeutlichung: wir reden hier von 1,7 to TS pro Jahr und ha. Das sind 170g TS pro Jahr und m² bzw. bei Klärschlamm, der den Grenzwert bei Blei (900mg/kg TS) erreicht, eine Ausbringung von 153 mg Blei pro m² und Jahr (hoffentlich habe ich da keinen Rechenfehler drin...). Und die Grenzwerte sind einerseits sehr niedrig, andererseits hat eine Gemeinde, die keine entsprechende Industrie als Einleiter besitzt, kaum die Chance die Grenzwerte zu überschreiten.
Boden auf eigene Kosten abtragen: mittlerweile gibt es seit ein paar Jahren den Klärschlammentschädigungsfond, in den alle Gemeinden, die Klärschlamm landwirtschaftlich verwerten lassen, einzahlen. Könnt ihr also nachweisen, daß die Verseuchung des Bodens auf die Ausbringung von Klärschlamm zurückzuführen ist, dann steht euch eine Entschädigungszahlung aus diesem Fond zu. Allerdings ist aus diesem Fond meines Wissens noch nichts gezahlt worden (vielleicht jetzt für die Giftmüllsache in Franken?), was entweder an der 'Qualität' des Klärschlammes liegt oder an der Auslegung, ob tatsächlich der Klärschlamm Verursacher der Verseuchung war. Von zweiterer Möglichkeit habe ich aber noch nie was gehört bzw. gelesen.
Risiko: Wer vor hat, Klärschlamm auf seine Flurstücke auszubringen, kann sich jederzeit von den umliegenden Gemeinden Klärschlammuntersuchungsergebnisse aushändigen lassen, diese dann miteinander vergleichen und sich für den am geringsten belasteten Klärschlamm entscheiden (das erzeugt dann auch Druck bei den ausgemusterten Gemeinden, die Schlammqualität zu verbessern). Auch über Einleiter kritischer Abwässer wird euch jedes Klärwerk Auskunft geben.
Ausbringung festen (20-40% TS) oder flüssigen (2-4%) Klärschlammes:
Nach Auskunft 'unserer Bauern' hat die Ausbringung entwässerten Klärschlammes den Vorteil, daß man, wenn man ihn selbst an der Kläranlage abholt, weniger Fahrerei hat. Dafür sieht man auf dem Acker dann nicht viel, da entwässerter Klärschlamm Klumpen bildet und sich somit schlechter verteilen läßt. Weitere Vorteile von Naßschlamm sind die, daß er sich leichter ausbringen läßt und daß er einen höheren Stickstoffanteil hat (ein Teil des Stickstoffs ist wasserlöslich und geht bei der Entwässerung verloren).
'Sondermüll gehört nicht aufs Feld': Stimmt.
'Chem. Reinigung in Kläranlagen':
Mir ist nicht ganz klar, was damit gemeint ist. Ab mittelgroßen Kläranlagen aufwärts haben diese eine chemische Fällung von Phosphat aus dem Abwasser. Dabei wird durch Zugabe von Eisen- oder Aluminiumverbindungen das Phosphat weitestgehend aus dem Abwasser entfernt und geht dann in den Klärschlamm über.
Eine Reinigung des Klärschlammes von Giftstoffen ist nicht möglich bzw. zu teuer. In diesem Fall muß die Gemeinde den Weg über die Verbrennung des Klärschlammes gehen.
Bioland etc.: Der Druck auf Klärschlamm ausbringende Landwirte wird immer größer. Nicht nur unter Ökolabeln vermarktete Erzeugnisse müssen mittlerweile klärschlammfrei sein. Auch Großabnehmer wie Pfanni etc. verbieten den Landwirten eine Klärschlammausbringung. Perverserweise habe ich sowas auch von Herstellern von Rapsöl für den Antrieb von Motoren gehört.
Andererseits wird eben auch der finanzielle Druck auf die Landwirte immer größer und darum kann ich mir gut vorstellen, daß manche Landwirte gegen das Ausbringungsverbot ihrer Abnehmer verstossen.
'...was da alles drin sein kann': bei Gemeinden ohne Industrie kann im Klärschlamm nur das drin sein, was wir sch..... bzw. essen und trinken. Und da rechne ich allerdings mit dem Schlimmsten ('Geiz ist geil' auch bei Lebensmitteln).
'Klärschlamm läuft im Winter in den Bach': Schmarrn.
Einfluß auf das Bodenklima:
Neben der Düngewirkung spielt noch der organische Anteil im Klärschlamm eine Rolle bei der Ausbringung auf humusarme Böden.
Abschließend möchte ich noch anmerken, daß der Bund für Umwelt- und Naturschutz sich nach reiflicher Überlegung FÜR eine landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm ausgesprochen hat.
Auf eine weitere angeregte Diskussion.
Martin Walter