Mich würde interessieren, welche Selektions- und Zuchtziele ihr in euren Mutterkuhherden verfolgt, welche Daten ihr zu den einzelnen Tieren erfasst und wie ihr diese auswertet.
Bisher habe ich mehr oder minder nach Augenmaß selektiert und vorrangig "Problemtiere" aussortiert.
Jetzt stabilisiert sich die Herde langsam und es wird schwieriger zu entscheiden, welche Jungtiere zur Bestandsergänzung bleiben und welche Kühe ausscheiden sollen.
Mein "Zuchtziel" hat sich über die Jahre auch verschoben. Anfangs liefen die Mutterkühe parallel zum Milchvieh meines Vaters und die in Frühjahr auf der Weide geborenen Bullen- und Schlachtfärsenkälber wurden im Spätherbst beim Weideabtrieb abgesetzt und dann im Anbindestall konventionell gemästet.
Nach der Hofübergabe vor 4 Jahren wurde der Betrieb komplett auf Bio-Mutterkuhhaltung umgestellt. Die Tiere werden ganzjährig auf der Weide gehalten. Im Winter steht den Tieren zusätzlich ein eingestreuter Unterstand mit Heu- und Grassilagefütterung zur Verfügung.
Kraftfutter wird keines eingesetzt, nur minimale Mengen Getreideschrot als Lockfutter in der Fanganlage (Vor einer Fangaktion füttere ich meist 2 bis 3 Tage mit je einem Eimer Schrot an.)
Ziel ist eine Art Easy-Care Herde, also mit mögl. wenig Pflege- und Betreuungsaufwand.
Die "Masttiere" sollen auf dem Betrieb vom Gras leben und werden dann über ein regionales Weidefleischprogramm vermarktet.
Wegen der geringen Anzahl Tiere, sollen diese mögl. das ganze Jahr in einer Herde gehalten werden.
Die Abkalbung soll im Frühjahr auf der Weide erfolgen.
Schlachttiere sollen mögl. mit 1,5 Jahren schlachtreif sein, damit sie nicht 2 x überwintert werden müssen.
Bisher habe ich selektiert auf:
-Leichtkalbigkeit
-Gesunde Klauen (wer Klauenpflege braucht, fliegt)
-Parasitenresistenz (wer eine Parasitenbehandlung braucht, fliegt)
-Euterqualität (da bin ich noch nicht zufrieden)
-optischer Eindruck der aufgezogenen Kälber einer Kuh
-seit 2 Jahren auf selbständiges Absetzen des Kalbes (dafür ist u.A. die Kuh mit der besten Aufzuchtleistung gegangen...)
Für das Ziel einer einzelnen Herde habe ich vor 2 Jahren alle Stierkälber kastriert. Mit den Zunahmen war ich aber nicht zufrieden. Ist aber schwer zu bewerten, weil es allgemein ein schlechter Jahrgang war. Der eingeplante Deckbulle hat sich am ersten Tag einen Fuß gebrochen und der schnell herbeigeschaffte Ersatz war keine gute Lösung...
Letztes Jahr habe ich die Stierkälber nicht kastriert und dafür dieses Jahr die Bullen knapp 3 Monate in einer separaten Herden gehalten. 2 Wochen vor der geplanten Deckperiode haben sie dann 2 Zäune platt gemacht, um zu den Kühen zu gelangen.
Auch in der Handhabung beim Verladen für den Schlachttransport sind diese Jungbullen um einiges heikler als die Ochsen aus dem Jahrgang davor.
Ideal wäre es, wenn man sie auf der Weide schießen könnte. Aber dafür fehlen hier bislang die Voraussetzungen.
Mit den Zunahmen der Bullen bin ich auch noch lange nicht zufrieden. Da sie zusammen mit den Kühen überwiegend mit Spätschnitt-Heu überwintert werden, nehmen sie in der Zeit natürlich kaum zu.
Bisher sind 3 von 7 Bullen vom Frühjahr 2013 geschlachtet. Schlachtgewichte 299 bis 342 kg. Wobei die 3 schwersten und der leichteste noch ausstehen. Klassifizierung R1, also zu mager. Aufs ganze Leben gerechnet hatten die 3 Tageszunahmen von gerade mal 870 bis 970 g. (Zum Vergleich: Mein bestes Schlachtkalb aus der Herde bisher hatte 1900 g Tageszunahme).
Auch hat sich herausgestellt, dass die Tiere, die als Kälber die höchsten Zunahmen hatten, am Ende nicht die schwersten sind. Eine Mutter mit viel Milch täuscht also teilweise über die weniger gute Grundfutterverwertung des Kalbes hinweg, oder die viele Milch beeinträchtigt die Pansenentwicklung.
Die Tageszunahme bis zum Absetzen ist für die "Grasmast" also nur bedingt oder gar nicht ein brauchbares Selektionskriterium.
Als nächstes möchte ich für die "Absetzer" im Winter einen Schlupf einrichten, in dem das beste verfügbare Grundfutter vorgelegt wird, damit sie ohne Bedrängung ans beste Futter kommen und so evtl. im Winter bessere Zunahmen haben.
Außerdem habe ich im Sommer oft ein Problem mit Eiweißüberschuss im Weideaufwuchs. Die Tiere haben dann sehr dünnen Kot und man sieht immer wieder welche recht angestrengt Atmen, was ein Zeichen dafür ist, dass sie zur Energiegewinnung Eiweiß verbrennen. Das müsste sich auch über den pH-Wert des Urins nachweisen lassen. Den habe ich aber noch nicht gemessen. Durch diesen Eiweißüberschuss werden der Stoffwechsel und die Leber stark belastet und die Tiere nehmen eher ab als zu.
Hätte ich einen konventionellen Betrieb, würde ich in der Situation ein eiweißarmes, energiereiches Futter zum Ausgleich anbieten. So kann ich nur am Weidemanagement drehen (Futter älter werden lassen, Topgrazing (schnelles Überweiden, wobei bevorzug die zuckerreichen Blattspitzen gefressen werden), oder Spätschnittheu anbieten (das sie aber nicht gerne fressen, wenn energiereiches Futter da ist). An der Schraube muss ich jedenfalls noch drehen...
Was mir noch abgeht, sind gute Kriterien zur Bestimmung der Futterverwertung des einzelnen Tieres.
Die Tageszunahme alleine taugt dafür nicht. Hohe Tageszunahmen sind einfach zu erzielen: Ein mögl. großrahmiges Tier mit mögl. energiereichem Futter vollstopfen.
Ich will aber Tiere, die mein Gras mögl. effektiv in Körpergewicht umsetzen. Und das sind eher mittel- bis kleinrahmige Tiere mit geringeren Tageszunahmen, wie man nicht nur an den Milchviehherden in Neuseeland, sondern auch an vielen Fleischherden in den Amerikas sehen kann.
Am ehesten dürfte als Kriterium dafür die Körperkondition tauben. Je "ausgestopfter" ein Tier auf der gleichen Futtergrundlage, desto besser seine Futterverwertung?
Wenn künstliche Besamung in der Mutterkuhherde nicht so aufwändig wäre, würde ich mir wohl Beefmaster-Sperma oder gleich Embryos (darf ich als Bio ja nicht...) aus den USA besorgen.