Jäger will Joggerin aus seinem Revier vertreiben
Richter hält Klage für aussichtslos Eine Viertelmillion Euro Strafe fürs Joggen im Wald – so weit wird es wohl nicht kommen. Das deutete sich am Mittwoch in einem Zivilverfahren am Amtsgericht Gemünden (Lkr. Main-Spessart) an.
Ein Jagdpächter will einer Marathonläuferin verbieten lassen, das Wild in seinen Revieren zu stören. Unter Androhung von Ordnungsgeld soll sie donnerstags, eine Stunde vor Sonnenuntergang, bis sonntags, eine Stunde nach Sonnenuntergang, den Wald meiden. Ebenso verboten sein sollen ihr „akustische und optische Warnmittel“ sowie – das Urinieren an Kirrungen (Wildfutterstellen).
Kein Anrecht auf ungestörte Jagd
„So kriegen Sie den Antrag nicht durch, das sage ich Ihnen gleich“, beschied Zivilrichter Christian Spruß dem Jagdpächter und seinem Anwalt Enno Piening (Vizepräsident des Bayerischen Jagdverbands). Nach der Verfassung und nach höchstrichterlichen Urteilen dürfe sich jeder immer im Wald aufhalten, die Natur genießen und seinen Hobbys nachgehen. Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2003 begründet das Jagdausübungsrecht weder einen Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand noch auf eine ungestörte Jagd, zitierte der Richter. Natürlich dürfe es keine systematische Störung geben.
Es stelle sich die Frage, ob die Klage überhaupt zulässig ist, so der Richter und bejahte dies allenfalls für den eingangs erwähnten Vorwurf des Urinierens. Das Aufenthaltsrecht im Wald hingegen hat Verfassungsrang, und Warnkleidung und -lichter seien „sehr vernünftig, wenn Leute mit Waffen im Wald sind“. Das Betretungsrecht könne nur durch behördlich genehmigte Drück- und Treibjagden eingeschränkt werden.
Vergleich abgelehnt
Üblicherweise werden in Zivilprozessen Vergleiche angestrebt. Die Beklagte könnte zum Beispiel anbieten, zu bestimmten Zeiten den Revieren des Jagdpächters fernzubleiben, führte der Richter aus, aber: „Inwieweit Sie Ihre Grundrechte einschränken lassen wollen, ist Ihre Sache.“
Burkard Hohmann, der Anwalt der Joggerin, lehnte einen Vergleich ab und bekundete „großes Interesse, dass das mal geklärt wird“. Absichtliche Störungen durch seine Mandantin schloss er aus: Sie laufe mehrere Strecken in einem Gebiet von 5000 Hektar, die Reviere des Jagdpächters seien ein Fünftel davon.
Dringendes Bedürfnis im Wald
Für den Vorwurf des Urinierens an eine Kirrung gab es einen Zeugen, ein Jagdhelfer des Klägers. Ob es sich vielleicht um Dehnübungen der Marathonläuferin gehandelt haben könnte, wollte der Richter wissen, was der Zeuge verneinte: „Weil man zum Dehnen die Hose nicht runtermacht.“ Dazu meinte der Anwalt der Läuferin, ein Laie wisse nicht unbedingt, was eine Kirrung ist. Und ein dringendes Bedürfnis könne jeden überkommen: „Wie machen Sie's? Sie lassen's bestimmt nicht in Ihre Stiefel laufen.“
Sollte es keine weiteren Beweisanträge geben, will Richter Spruß bereits am Freitag seine Entscheidung verkünden.