In Unterfranken hamse tonneweise Gurken auf die Felder gekippt:
Wos soicht denn Ihr dazu ?
BERGTHEIM/KLEINRINDERFELD
Tonnenweise vergammeln Gurken
Subventionierte Überproduktion in der Region Würzburg ärgert Anwohner und
Naturschützer
Bis zu 50 Lkw-Ladungen Gurken sind zwischen
Kleinrinderfeld und Bergtheim (Lkr. Würzburg) zur
Vernichtung auf dem Stoppelacker gelandet und faulen
vor sich hin. Anwohner sprechen von einem Skandal,
weil während der Hitzeperiode vor zwei Wochen die
Gurkenfelder noch Tag und Nacht mit Grundwasser aus
eigens gebohrten Brunnen bewässert worden sind. Dann
wurden sie von polnischen oder rumänischen Hilfskräften geerntet, um schließlich
als Über- oder Fehlproduktion weggekippt zu werden.
Viele Anwohner in dem großen Gemüse-Anbaugebiet an der Bundesstraße 19
zwischen Würzburg und Schweinfurt, wo in den letzten Jahren auch eine
besonders intensive Landwirtschaft mit Rinder- und Schweinezucht buchstäblich
aus dem Boden schießt, sind inzwischen sehr sensibel geworden. Momentan stinkt
ihnen die Situation im wahrsten Sinne des Wortes besonders nachhaltig, weil aus
der Massentierhaltung die Gülle ausgebracht wird. Da heizen die Bilder mit
massenhaft vernichteten Lebensmitteln die Stimmung nur noch an.
Gurken passen nicht ins Glas
Während die riesigen Halden von frisch geernteten Gurken vor sich hinschrumpfen
und -faulen, erweisen sich die Recherchen, was hier passiert ist, als enorm zäh.
Bei den landwirtschaftlichen Behörden wird die Zuständigkeit von einer in die
andere Abteilung weitergereicht. Einer der betroffenen Gemüse-Anbauer, Winfried
Strauß in Bergtheim, gibt auf die Anfrage nach dem „Warum“ überhaupt keine
Auskunft.
Dafür wird auf die Konservenfirma „Kühne“ verwiesen. Man landet erst bei der
unterfränkischen Niederlassung in Sennfeld und dann in der Zentrale in Hamburg.
Auch dort muss die Presseabteilung eine Erklärung von höchster Stelle
autorisieren lassen: Salatgurken passen nicht ins Glas, heißt es, sie sind zu groß.
Kühne-Presse-Chefin Irmy Wottawah meint, heuer habe die Natur zugeschlagen.
Die Gurke sei als tropisches Gewächs bei den hohen Sommertemperaturen im
„Wachstum explodiert“. Dadurch sei eine Überproduktion entstanden.
Weil die Erzeuger ihrem Vertragspartner aber nur sortierte Ware anbieten können,
haben sie Probleme. Aus vertraglichen Gründen können die Anbauer nicht auf
andere Abnehmer ausweichen. Da bleibe nur das Ausbringen auf die Felder, so
Wottawah.
Im Gemüseanbaugebiet um Unter- und Oberpleichfeld ist das heuer
möglicherweise ein Extremfall, aber längst keine Ausnahme, sagen örtliche
Beobachter. Es wird in großem Stil und für große Firmen produziert, unter
anderem für Aldi. Am Ende wird saisonbedingt immer ein Teil der Produktion
vernichtet. Im Herbst sind es dann regelmäßig Zwiebeln und Möhren.
Schon seit Jahren hat der Bund Naturschutz vor allem die Gemüse-Produktion in
diesem Gebiet im Visier, weil hier durch Brunnen-Bohrungen, die das
Wasserwirtschaftsamt immer wieder genehmigt, in einem der regenärmsten
Gebiete Bayerns Gemüseanbau mit besonders intensivem Wasserbedarf betrieben
wird. Die Rede ist davon, dass einzelne Anbauer bis zu 50 Brunnen zur
Bewässerung in Betrieb haben. Es gibt zwar Vorschriften, wonach die
Bewässerung nur in der Nacht und nicht bei sengender Hitze am Tag erfolgen
darf, daran hält sich aber keiner, sagen die Anwohner. Von einem „ökonomisch
und ökologisch ausgefeilten System der Tröpfchenbewässerung“, wie die Kühne-
Pressestelle die Voraussetzung für ein optimales Gurkenwachstum beschreibt,
kann offenbar keine Rede sein.