Hallo zusammen,
wollte nur mal fragen, was ihr davon haltet:
Ministerin glaubt Bauern nicht
Keine Geringere als die CDU-Bundestagsabgeordnete von Ulm/Alb-Donau und Bundesbildungsministerin Annette Schavan hatte am 20. Juli zum Bürgerforum
der CDU nach Ehingen eingeladen. Das Thema war die sogenannte Grüne Gentechnik. Das Motto lautete „Bürger fragen – Experten antworten.“ Die Bürger, etwa 100 an der Zahl, überwiegend Bauern, lasen den Experten, inklusive der Bundesministerin die Leviten, bis diese flüchteten. Eind Veranstaltung der denkwürdigen Art. Biobäuerin Tanja Holzschuh berichtet für BLIX
Die Experten, das waren der Ulmer Mikrobiologe Erhard Stupperich, der BAS F-Vertreter Ralf-Michael Schmidt sowie der Theologe und Sozialethiker Markus Vogt von der Münchner Ludwig-Maximilians- Universität. Wie nicht anders zu erwarten war, gaben sowohl Stupperich als auch Schmidt ihr Bestes, um die Zuhörer vom überwältigend großen Nutzen der Gentechnik einerseits und ihrer absoluten Harmlosigkeit andererseits zu überzeugen.
Dabei wurden wieder die längst mehrfach widerlegten Argumente genannt, man brauche
die Gentechnik, um die Welternährung zu sichern, neuerdings auch für die Energieversorgung mit Hilfe gentechnisch veränderter nachwachsender Rohstoffe. Schmidt flüchtete sich in Vagheiten, wurde aber am Schluss konkret: „Und natürlich wollen wir auch Geld verdienen.“ In der anschließenden Diskussion äußerte eine Zuhörerin, Landwirtin aus dem Allgäu, ihren Unmut. „Frau Schavan, wir sind maßlos enttäuscht von Ihnen, dass Sie uns einen BAS F-Vertreter als unabhängigen Experten anpreisen, BAS F arbeitet mit Monsanto zusammen, einer Firma, die mit kriminellen Machenschaften auf der ganzen Welt
ihre Patentansprüche durchzusetzen versucht.“ Schmidt äußerte sich tief betroffen über diese Anschuldigungen, er wisse nichts von kriminellen Machenschaften, und dieser Percy Schmeisser sei ja als Betrüger entlarvt und rechtskräftig verurteilt worden. Die Äußerungen Stupperichs lösten besondere Empörung aus, als dieser darlegte, dass Züchtung mit Hilfe der Gentechnik viel einfacher, schneller und vor allem sicherer gelinge, da man ja die vielen Gene nicht wild und wahllos zusammenschmeiße wie bei der herkömmlichen Züchtung, sondern ganz gezielt das gewünschte Gen „einbringe“. Einer der Zuhörer, Siegfried Wucher, Vorstand des Fachverband Biogas, warf ein, Gentechnik sei doch eher eine Schrotflintentechnik, denn ein gezielter Schuss. Stupperich argumentierte äußerst oberflächlich und polemisch, zudem setzte er seine Zuhörerschaft herab, indem er sich eines herablassenden und zum Teil geradezu unverschämten Redestils bediente („Verstehen Sie das, haben Sie das kapiert?“).
Der Sozialethiker Marcus Vogt traf auf mehr Zustimmung des überwiegend kritisch eingestellten Publikums. Als Vertreter der katholischen Kirche stellte er dar, dass die Gentechnik als Technik an sich nicht zu verdammen sei, ähnlich einem Messer,
welches man sowohl zum Guten als auch zum Schlechten benutzen könne. Es komme auf den verantwortungsvollen Umgang an. Obwohl Vogt bemüht war, im Abstrakten zu bleiben, konnte er in der Diskussion nicht umhin, klar zu machen, dass der Hunger und dessen Bekämpfung ein agrarstrukturelles Problem sei und die Gentechnologie, dort wo sie bereits im großen Stil angewandt wird, die Strukturen verschlechtert habe und dass Koexistenz
schlichtweg eine Illusion sei und es daher von allergrößter Wichtigkeit sei, dass Entscheidungen bezüglich der Gentechnik von allgemeiner Akzeptanz seien. Eine Bäuerin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fragte die Ministerin: „Wie kann Politik etwas vorantreiben, das so viele Menschen ablehnen?“ Es hagelte Fragen – die meisten blieben unbeantwortet. - Die Wissenschaft hat schon so viele Versprechen bezüglich der Ungefährlichkeit von Produkten und Techniken nicht halten können, wie sollen wir Gentechnik wieder „zurückholen“, wenn sie verbreitet ist?
- Wer kontrolliert die Einhaltung der Vorgaben?
- Wie sieht es mit Patentrechten aus? Werden sich auch bei uns die Eigentumsrechte am Saatgut verschieben?
- Brennendste und häufigste Frage: Wer trägt die Kosten der Untersuchungen, der Reinigung von Maschinen, eventueller Rückholaktionen, Verunreinigungen unter 0,9 Prozent, Gerichtskosten und
und und…?
Auf all diese Fragen gab es keine Antworten, obwohl zum Teil heftig und wiederholt nachgefragt wurde. Ein Bäcker, der gegen Ende der Veranstaltung, als die Stimmung schon am Überkochen war, in den Saal rief: „Frau Schavan, geben Sie mir bitte eine Antwort; soll ich in Zukunft mein Getreide aus Österreich beziehen, damit ich es sicher ohne gentechnisch veränderte Organismen habe?“, erhielt die lauthalse ministerielle Antwort: „Nein, Sie können weiter regional einkaufen!“ Allerdings ohne Begründung, wie das denn möglich sein soll
bei einer tolerierten Verunreinigung von 0,9 Prozent. Kurz vor Schluss überraschte Schavan mit vermeintlichen Zugeständnissen: Das Standortregister soll flurstücksgenau bleiben, die Haftungsregelung bleibe verschuldensunabhängig, greife aber erst ab 0,9 Prozent, und die Abstände sollen für konventionelle Bauern bei 150 Metern, bei Bio-Bauern bei 300 Metern festgelegt werden. Statt Jubel und Freude erntete sie Wut und Enttäuschung
– hat ein konventioneller Bauer weniger Recht auf Gentechnik-Freiheit als ein Bio-Bauer?
Die Veranstaltung endete tumultartig, einer der letzten Sätze, die Schavan ins Publikum rief: „Es darf doch in Deutschland nicht so weit kommen, dass man einem Landwirt mehr glaubt als einem Forscher!“ Sie packt rasch zusammen, lädt ihre Referenten noch „auf’s Fest“ ein und verlässt beinahe fluchtartig den Saal. Alles ist besser als sich diesem Publikum zu stellen. Die Diskussion geht weiter – ohne Schavan – die Letzten stehen noch
zwei Stunden später zusammen und fragen sich kopfschüttelnd, was diese Politik noch mit Demokratie zu tun hat.