elchtestversagt hat geschrieben:Jein. Der Handwerker kann selber auch einen guten Lebensstandart haben...
Nochmal dazu. Das ist ein Zustand, der sich in einer derart ungleichen Gesellschaft nur schwer aufrechterhalten lässt.
Die USA sind da ja schon weiter als wir. Dort sind schon deutliche größere Teile der ehemaligen Mittelschicht unter die Räder gekommen.
Aber auch bei uns ist dieser Prozess im vollen Gang. Die Einkommensgrenze, ab der noch etwas vorwärts geht für die Betroffenen, schiebt sich prozentual in der Bevölkerung immer weiter nach oben.
Das wird derzeit noch durch 2 Effekte stark kaschiert. Zum einen, weil das böse Erwachen aufs Rentenalter verschoben wird, wo dann das Einkommen wegbricht, weil nicht ausreichend vorgesorgt werden konnte. Und zum anderen die geringe Kinderzahl, die dazu führt, dass viele erhebliche Beträge erben und so in Summe gut vorwärts kommen, obwohl ihre eigene wirtschaftliche Leistung das nicht mehr zulassen würde.
Am ehesten lässt sich das gefühlte Vorwärtskommen der Handwerkerschicht stabilisieren, solange es ein echtes, d.h. inflationsbereinigtes Wirtschaftswachstum gibt. Und damit meine ich die echte Inflation inkl. Immobilien etc. und nicht diesen zweifelhaften Warenkorb, nach dem die offiziellen Zahlen ermittelt werden.
Solange das anhält, wächst zwar das Vermögen oder Reichen trotzdem prozentual (nicht nur absolut) schneller als das der Handwerker, es geht aber für den Handwerker noch so lange vorwärts, wie die Reichen nicht den kompletten Zuwachs alleine abschöpfen.
Ein dauerhaftes echtes Wirtschaftswachstum ist aber völlig illusorisch. Das würde eine exponentielle Kurve ergeben, d.h. der tatsächliche Zuwachs müsste wegen des wachsenden Ausgangsvolumens jedes Jahr größer ausfallen, um den prozentualen Zuwachs stabil zu halten. D.h. es müssen noch mehr Waren produziert und konsumiert und noch mehr Dienstleistungen nachgefragt werden. Die Wirtschaft müsste wuchern wie ein Krebsgeschwür.
Bei der Wirtschaft ist das aber wie in der Biologie. Der Krebs kann nur begrenzte Zeit wuchern. Irgendwann geht der Organismus daran kaputt.
Und dann kommen wir in Phasen wie jetzt, wo Wachstum nur noch durch Inflation vorgegaukelt werden kann. Dann ist Schluss mit dem Vorwärtskommen der Mittelschicht. Das Geld der Reichen muss irgendwie investiert werden. Da die Menge an Sachwerten begrenzt ist, steigen die Preise für Boden, Häuser etc. schneller als das Einkommen zunimmt.
Für junge Leute, die mit wenig oder nichts anfangen, wird es dann immer schwerer, zu Eigentum zu kommen und sich ein Vermögen aufzubauen. Dazu die viel höhere Steuerlast für die Fleißigen im Vergleich zu den geringen Steuern für die Habenden. Das erschwert den Aufstieg durch eigenen Fleiß massiv, während das Vermögen der Reichen munter weiter wächst.
Unsere "Volksparteien" klammern sich noch daran, den Zustand mögl. lange stabil halten zu können und verweigern jeden grundlegenden Eingriff, der die Umverteilung von unten nach oben umkehren würde.
Es wird nicht mal nennenswert gebremst. Der Laden wird sehenden Auges gegen die Wand gefahren.
Und je länger man wartet, desto wahrscheinlicher wird der soziale Knall und umso drastischer werden die nötigen Maßnahmen um ihn zu verhindern.
Aktuell wäre noch viel durch Verbesserungen im Steuersystem und im Eigentumsrecht zu erreichen. Es müssten alle Einkommensarten und Unternehmensformen zumindest gleich besteuert werden. Wenn man tendenziell mehr kleine und mittlere Unternehmen wollte, müsste man die großen wegen ihrer Wettbewerbsvorteile stärker belasten.
Und wir brauchen eine Methode, die Akkumulation gigantischer Vermögen über Generationen zu unterbinden. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Man könnte mit einer Vermögenssteuer arbeiten, die umso höher wird, je höher das Vermögen wird, und die das Wachstum von Megavermögen ausbremst oder sie sogar wieder abschmilzt. Oder man könnte die Erblasser von Megavermögen dazu zwingen, diese im Erbfall auf eine größere Zahl von Personen zu verteilen, indem man die Summe begrenzt, die ein einzelner Mensch in seinem Leben durch Erbe oder Schenkung erhalten darf. Würde man da z.B. eine Grenze von 50 oder 100 Mio. einziehen, dann müssten Milliardäre ihr Erbe entsprechend aufteilen auf beliebige Menschen ihrer Wahl, oder alles, was sie nicht selbst verteilen, würde an den Staat zurück fließen, wenn die Erben der gesetzlichen Erbfolge ihr Limit ausgeschöpft haben.
Auf welche Art auch immer, irgendwie müssen die wieder auf den Boden geholt werden, die durch ihr krebsartiges Vermögenswachstum allen anderen die Luft und die Entwicklungsmöglichkeiten nehmen.
Und findet sich dafür keine zivilisierte Lösung, dann passiert es irgendwann durch Gewalt.