Hier ist der Beitrag von Prof. Dr. Jörn Erler aus der LAND & Forst 01/2010 vom 07.01.2010, S. 52 - 54:
Befahren: Eine tickende Zeitbombe?
Waldboden Bei einer Befahrung des Waldbodens ist die Grenze von dessen Belastbarkeit schnell erreicht. Das macht ein geordnetes Fahren auf Gassen erforderlich, die wiederum in einem guten Zustand erhalten werden müssen. Für den praktischen Betrieb ergeben sich daraus eine Reihe von Konsequenzen.
Hier ist die Zerstörung des Bodengefüges komplett. Damit die Befahrung einer einmal angelegten Gasse dauerhaft gewährleistet ist, müssen schon beim ersten Ausquetschen des Bodens stabilisierende Maßnahmen ergriffen werden.Foto: landpixel
Wie der Waldbodens auf eine Befahrung reagiert, haben wir in LAND & Forst Nr. 47, S. 60, bereits dargelegt. Kurz zusammengefasst ergeben sich folgende Wirkungen und Konsequenzen:
* Der Waldboden reagiert bis zu einer (sehr geringen) Belastung elastisch und regeneriert sich aus eigener Kraft; wir sprechen hier von ökologisch verträglicher Befahrung.
* In der Regel ist die Belastung aber so groß, dass man Maschinen nur auf Gassen fahren lassen darf. Hier muss darauf geachtet werden, dass die Gassen ihre Eignung, befahren zu werden, nicht einbüßen; wir sprechen von geologisch verträglicher Befahrung.
* Eine trotz aller Vorsicht zerfahrene Gasse sollte mit wegebaulichen Maßnahmen ausgebaut werden zum Rückeweg, um die Bildung neuer Gassen zu verhindern.
Was folgt daraus für die Praxis?
Wissenschaftlich gesehen gibt es keinen Grund, auf bestimmten Böden bei Trockenheit die Befahrung mit leichten Maschinen zu verbieten, solange die Grenze ökologisch verträglicher Befahrung nicht überschritten wird. Daher ist es auch vertretbar, wenn man sagt, dass bei Pflegemaßnahmen (ohne Holzernte) mit leichtem Gerät auf einigen Flächen gefahren werden darf. Das Problem liegt nur darin, dass wir ohne aufwendige wissenschaftliche Messungen die Grenze nicht „sehen“. Darum neigt man heute im praktischen Betrieb aus reiner Vorsorge dazu, generell jegliche Befahrung des Waldbodens außerhalb von Gassen auszuschließen.
Auf der Gasse ist darauf zu achten, dass sich keine tiefen Spuren bilden. Was heißt tief? Hierüber gibt es sehr unterschiedliche Ansichten, die von 10 bis 60 cm variieren. Aus logischen Erwägungen heraus wird eher empfohlen, sofort dann, wenn sich nass glänzende Boden-Ausquetschungen zeigen, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Und davon gibt es eine ganze Reihe:
1. Man kann die Last begren-zen, indem man dem Fahrer die Anweisung gibt, den Rungenkorb nicht voll zu laden. Dies ist die einfachste und meist effektivste Maßnahme.
2. Durch Senken des spezifischen Bodendruckes kann man versuchen, die Belastung je Quadratzentimeter unter die Schadschwelle zu bekommen. Hierzu wird der Reifeninnendruck abgesenkt, damit sich der „Latsch“ vergrößert und der Reifen besser federt. Man kann auch breitere Reifen aufziehen oder Bänder über Bogieachsen ziehen, die auch zwischen den Reifen eine gewisse Auflage gewährleisten.
3. Man kann zwischen Reifen und Boden eine Schicht einbringen in der Erwartung, damit die Belastung abzufedern. Die heute zum Standard gehörende Reisigmatte, die ein Harvester vor sich bildet, hat in der Regel (wenn sie nicht ungewöhnlich dick ist) weniger die Funktion, den Druck zu verteilen. Sie hält vielmehr die Traktionskräfte des rollenden Reifens vom Boden fern und schützt damit die gewachsene Bodenstruktur. Zu bedenken ist allerdings, dass mit dem Reisig wertvolle Nährstoffe dem Kreislauf entzogen und ausgerechnet dort abgelagert werden, wo sie von den Pflanzen am schlechtesten erreicht werden. Außerdem ist zu erwarten, dass das verrottende Reisig wie eine Mulchschicht wirkt und damit die Feuchte im Gassenkörper noch erhöht. Daher meine Empfehlung: Auf die Reisigmatte verzichten und das Reisig im Bestand belassen oder zumindest neben der Gasse ablegen - allerdings herrschen hierüber unterschiedliche Ansichten.
Kleine Abweichung - große Wirkung
Wie exakt muss die Gasse eingehalten werden? Schließlich sieht man doch ungefähr, wo zuvor gefahren wurde. Hierzu ein kleines Rechenbeispiel: Heute gilt als Standard, im Abstand von 20 Metern parallel zueinander Gassen anzulegen, die mit Harvester und Forwarder befahren werden. Da die-se Maschinen, die rund drei Meter breit sind, nicht immer exakt in derselben Spur fahren, kann man davon ausgehen, dass in einer Breite von vier Metern der Boden unter der Gasse stark verändert ist und für die biologische Produktion ausfällt.
Das bedeutet, dass vier von 20 Metern, also 20 Prozent des Waldbodens, fortan nur noch technischen Zwecken dienen! Jede Abweichung um einen Meter nach nur einer Seite bringt mehr als fünf Prozent hinzu. Aus reinen Vorsorgeüberlegungen muss also gefordert werden, dass die Gasse ganz exakt einzuhalten ist (also innerhalb der genannten vier Meter, mithin beträgt die Fehlertoleranz 50 cm). In der Kontrolle dieser Maße liegt eine wichtige Aufgabe des Waldbesitzers oder Försters.
Für künftige Befahrungen muss die Gassenmittelachse exakt dokumentiert werden. Nichts leichter als das, wir haben doch GPS! Leider lassen uns die GPS-Geräte im Wald im Stich. Sogar mit sehr guten (und sehr teuren) Empfängern gelingt es bis heute nicht, die Fehlerabweichung unter belaubtem Kronendach zuverlässig unter fünf Meter zu drücken (siehe Abb. unten). Wer anderes behauptet, hat für sich ein gutes Marketingargument gefunden.
Die Wissenschaft arbeitet an Alternativen, mit denen eine automatische Verortung im Wald genauer möglich ist (Lasermessung, Funksensoren). Solange hier aber noch keine für den Praktiker bezahlbare Lösung angeboten werden kann, müssen wir uns auf die konventionelle Weise behelfen. Die konventionelle Methode besteht bekanntlich darin, dass man farbige Markierungen an die Randbäume sprüht, zwischen denen die Gasse „ungefähr“ verläuft.
In einem gleichaltrigen Nadelholzbestand, in dem die Baumanzahl noch über 200 Exemplare je Hektar beträgt, ist diese Art der Markierung ausreichend. Je weniger Bäume aber auf dem Hektar stehen oder je strukturierter der Bestand aufgebaut ist, desto schwieriger ist es, exakt den Verlauf zu finden, besonders wenn man in einer Maschinenkabine sitzt und durch eine staubige Scheibe vielleicht sogar noch ins Gegenlicht schaut.
Da wir nun wissen, wie gravierend sich selbst die kleinste Abweichung von der alten Gasse auswirkt, wird unter solchen Bedingungen eine aufwendige Vorarbeit notwendig: Der Waldbesitzer oder Förster muss zu Fuß vorab die Gasse abschreiten und in regelmäßigen Abständen Fähnchen aufstellen, an denen sich der Maschinenfahrer orientieren kann.
Wer kann sich das leisten?
Bodenschutz kostet Geld. Die genannten Maßnahmen verursachen ausnahmslos Zusatzkosten, die der Waldbesitzer vom Holzkäufer nicht erstattet bekommt (siehe Abb. „Kostenvergleich Standardverfahren ...“). Also wäre er doch gut beraten, wie vielleicht seine Nachbarn auch auf diese Vorsorgemaßnahmen zu verzichten und lieber einen höheren erntekostenfreien Erlös einzustreichen.
Kurzfristig gesehen mag das richtig sein. Aber Forstwirtschaft denkt in Generationen, nicht umsonst wird der Ursprung des Begriffes Nachhaltigkeit mit der Forstwirtschaft in Verbindung gebracht. Und kurzfristige Degradation des Bodens kann nun einmal nicht nachhaltig sein. Ein Waldbesitzer, der um des sofortigen Gewinns willen seine technischen Anlagen (Rückegassen) zerstört, steht über kurz oder lang vor folgender Alternative: Entweder er muss neben den alten Fahrspur neue Rückegassen anlegen und in Kauf nehmen, dass sich irgendwann die Zuwachsleistung seines Waldes verringert. Oder er muss die alten, unbefahrbaren Gassen mit wegebaulichen Maßnahmen sanieren. Das eine Mal büßt er Umsatz ein, beim anderen Mal hat er zusätzliche Kosten zu tragen. Mittelfristig gesehen sind die „billigen“, geologisch unverträglichen Verfahren teurer als verträgliche Verfahren (vgl. Abb. Kostenvergleich der Verfahren). So funktionierte verantwortungsvolle Forstwirtschaft schon seit Generationen.
Fazit
Fahren im Wald, eine tickende Zeitbombe? Unsere Maschinen werden nicht mehr leichter, der Boden zeigt deutliche Anzeichen von Stress. Es ist an der Zeit, im Boden mit seiner komplexen physikalischen und chemischen Zusammensetzung und seinen biologischen Vorgängen die Zentralressource zu erkennen, die er für den Forstwirt ist. Mit Ehrfurcht gilt es, nicht voreilig oder unüberlegt zu zerstören, was nur mit großem Aufwand und oft nur notdürftig wieder „repariert“ werden kann.
Prof. Dr. Jörn Erler, Professur für Forsttechnik, TU Dresden, Tharandt
Im Anhang die Grafiken, die in der gedruckten Ausgabe im Text eingefügt sind.
Gruß
Henning