Ich habe mich jetzt neu angemeldet, lese aber hier schon länger mit. Vielleicht kurz zu meiner Person: Ich bin kein Landwirt, bin aber in einer Landwirtschaft aufgewachsen und helfe auch heute noch dort aus, wenn Not am Mann ist.
Auch gehöre ich nicht zu der jungen (und vielleicht klügeren) Garde; ich bin schon längst in der 2. Lebenshälfte angekommen. Einen eigenen Traktor habe ich auch nicht, außer ein paar Miniaturen in 32-facher Verkleinerung. So, damit wisst Ihr nun alles über mich.
Aber nun eigentlichen zum Thema:
Am meisten interessieren mich Neuigkeiten der Landtechnikhersteller. Von daher ist ein News-Thread von einzelnen Herstellern sehr interessant, wie beispielsweise der Thread „Allgemeiner Deutz-Fahr News Thread“. Schade fand ich kürzlich die Sperrung eines Fendt-News-Thread, weil gewisse Forumsteilnehmer leider nicht immer sachlich debattieren und diskutieren können (ich erlaube mir zu erwähnen: Sogar die Mods lassen sich manchmal davon anstecken).
Nun aber mache ich mal auf Georg Kacher von der Autobild, der in regelmäßigen Abständen zukünftig mögliche Produkte eines Automobilherstellers beleuchtet (vielleicht kennt ihn ja jemand). Aber auch er liegt nicht immer richtig in seinen Vorhersagen…
Deshalb möchte ich einen Thread zum Thema „Fendt-Neuigkeiten auf der Agritechnica 2017“ starten und hoffe, dass dieser sachlich geführt wird. Es ist noch ein knappes halbes Jahr hin bis zur Messe. Von daher ist mein Beitrag zum jetzigen Zeitpunkt noch ziemlich spekulativ; umso interessanter könnte es werden, je näher wir uns dem November nähern. Peter-Josef Paffen, der Fendt-Chef äußerte sich auf der letzten SIMA wie folgt: „Ich glaube nicht untertrieben sagen zu dürfen, dass die Agritechnica die größte Neuheiten-Messe für Fendt in der ganzen Geschichte sein wird.“
Aus verschiedenen Quellen konnte man lesen, dass wohl fast die halbe Halle 20 mit Fendt-Produkten belegt sein wird. Nicht alle dort ausgestellten Produkte werden aber ihren Ursprung in Marktoberdorf haben. Viele davon sind gewissen Übernahmen oder Produktverlagerungen geschuldet. Aber dazu weiter unten mehr.
Da es sehr viel Text geworden ist, splitte ich das Ganze in den Bereich Traktoren (Teil 1) und dem weiteren Landtechnik-Portfolio (Teil 2).
Beginnen möchte ich mit Teil 1 - Traktoren:
Die Traktorsparte ist seit jeher die Kernkompetenz von Fendt. Am 28. März hat Fendt die „neuen Messemodelle“ für die Agritechnica 2017 vorgestellt. Auf dem Bild war unschwer zu erkennen, dass die Baureihe 200 Vario einschließlich der Spezialtraktoren/Plantagenschlepper fehlte. Das ist keine große Überraschung, denn die aktuelle Abgasnorm macht eine Überarbeitung dieser Baureihe zwingend erforderlich. Raum für Spekulationen bleibt dennoch: Wird es nun eine gänzlich neue Baureihe oder betrifft es im Wesentlichen nur den Motor mit der Abgasreinigung.
Auf der anderen Seite der Leistungsskala wird sich wohl spektakuläreres ergeben. Das britische „Farm Machinery Journal“ hat Ende April vermeldet, dass Agco die Marke Challenger aus Europa abziehen wird und deren Produkte ab 1.1.2018 unter der Marke Fendt vertreiben möchte. Für den europäischen Markt betrifft dies im Wesentlichen die beiden Raupentraktoren MT700E und MT800E. Alle anderen Traktoren wie z. B. die Knicklenker (MT900E) oder die kleineren Baureihen, die auf MF-Plattformen stehen, wurden bei uns bekanntlich nicht vermarktet. Bilder einer „Challenger-Raupe im Fendt-Design“, die vom Raupenfahrwerk stark einer MT700E ähnelt, findet man mittlerweile vermehrt im Netz. Meiner Meinung nach macht diese Strategie durchaus Sinn; schließlich soll ein Raupentraktor auch eingefleischte Fendt-Kunden locken und nebenbei das Portfolio von Fendt nach oben hin vergrößern. Ein weiterer Grund sind anfallende Lizenzgebühren für den Markennamen „Challenger“, die Agco an CAT seit der Übernahme von Challenger zu entrichten hat. Diese Lizenzgebühren sollen zukünftig eben nur noch für den amerikanischen Markt anfallen. Um die Challenger Raupen in das Fendt-Programm aufnehmen zu können, reicht allein eine Lackierung in „naturegreen“ nicht aus. Diese Raupe muss auch zur Fendt-Philosophie passen. Greift man wieder auf Informationen aus dem Netz zurück, so könnte erstmals ein stufenloses Getriebe in die Raupen einziehen. Dabei reicht es nicht aus, das TA 400 aus dem Vario 1000 in die Raupe zu transplantieren. Dieses „VarioDrive“-Getriebe besitzt zwei unabhängige Hydromotoren, in der Hinterachse zusätzlich mechanisch leistungsverzweigt. Ein Raupenfahrwerk benötigt jedoch zwei gleichwertige Abtriebe für beide Seiten in Verbindung mit zum Beispiel einem Überlagerungslenkgetriebe. Hier wird wohl eine komplette Neuentwicklung erforderlich. Auch was den Motor betrifft, könnte es durchaus Änderungen zu den Challenger-Maschinen geben. Die MT700E-Baureihe wird von einem 7-Zylinder Agco-Power-Motor mit 9,8 Litern Hubraum angetrieben. Das die Raupe mit 438 PS Maximalleistung (MT775E) weniger Leistung hat als der 6-Zylinder MAN D2676 im 1000 Vario passt irgendwie nicht wirklich. Auf der EIMA 2016 in Bologna hat MAN einen für den Offroad-Einsatz (also auch für die Landtechnik) neu entwickelten 9,0 Liter - mit Motorleistungen von bis zu 450 PS - vorgestellt. Es ist durchaus denkbar, dass wir diesen Antrieb in der kleinen Fendt-Raupe wiederfinden. Wie es mit der großen Raupe im Fendt-Kleid aussieht, darüber gibt es nur sehr wenige Informationen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass der V12 von Agco-Power (der übrigens der einzige mir bekannte 12-Zylinder in einem aktuellen Traktor ist) weiter als Antrieb dienen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass man sich auch hier außerhalb des eigenen Konzerns bedient. Der MAN D3876 mit 15,3 Litern Hubraum als Reihensechszylinder käme dabei genauso in Frage wie der R6 MTU BR 1500 (den wir schon aus dem Katana 65 kennen), der es auf 15,6 Liter bringt. Beide Motoren sind für Antriebsleistungen bis ca. 650 PS ausgelegt. Wir müssen uns wohl überraschen lassen.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Agco-Power es bislang versäumt hat, einen großvolumigen 6-Zylinder zu bauen. Für selbstfahrende Arbeitsmaschinen wie Feldhäcksler oder Mähdrescher scheint ein V-Motor aus Platzgründen durch seine kubischen Maße sogar geeigneter zu sein als ein Reihenmotor, aber für Traktoren ist dies sicherlich nicht zutreffend. So muss man die großen 6-Ender auch in nächster Zeit weiter fremdbeziehen.
Raum für Spekulationen gibt es auch was den Montageort dieser Raupen angeht. Sind es tatsächlich die ersten „Fendt-Traktoren“, die nicht in Marktoberdorf gebaut werden (lässt man mal das Engagement aus den 60er-Jahren mit den in Brasilien produzierten Traktoren außer Acht) oder werden die Raupen zukünftig doch in Marktoberdorf endmontiert? Motoren und Getriebe werden vermutlich aus Deutschland kommen, die Kabinenfertigung könnte in Asbach-Bäumenheim erfolgen. Die von Fendt gewohnte Bedienlogik wird sicher auch in die Raupentraktoren implementiert. Die Technik dazu kommt also auch aus der Heimat. So bleiben nur noch die Laufwerke und die speziell auf die Raupen abgestimmte Heckhydraulikeinheit übrig, die aus dem Challenger-Werk in Jackson / Minnesota oder deren Zulieferer bezogen werden könnten.
Demnächst zu erwarten ist auch ein 900 Vario – Nachfolger. Die Entwicklung dazu dürfte schon sehr weit fortgeschritten sein. Dass wir schon ein Exemplar auf der Agritechnica zu sehen bekommen, glaube ich eher nicht (höchstens einem ausgewählten Publikum wie seinerzeit bei der Agritechnica 2013 mit dem 1000 Vario). Die Abgasnorm der Stufe V ist erst im Jahre 2020 relevant; es bleibt also noch genügend Zeit für die Markteinführung (Allerdings ist die Baureihe 900, durch die starke Ausrichtung auf Lohnunternehmen, die Schlüsselmaschine für Fendt). Die Vorstellung der 900er-Baureihe vermute ich daher eher in Wadenbrunn 2018, sofern diese Veranstaltung stattfindet. Der 900 Vario wird wohl ein kleiner Bruder vom 1000 Vario werden, sowohl optisch als auch technisch. Das VarioDrive-Getriebe aus dem 1000er wird genauso Einzug halten, wie die X5S-Kabine. Beim Motor darf spekuliert werden: Der Deutz TCD7.8 arbeitet schon im aktuellen 939, wie wir wissen, an der Leistungsgrenze. Da der 900er-Nachfolger auch leistungsmäßig aufsteigen wird (ich gehe mal von mindestens 420 PS aus, vielleicht sogar noch mehr), dürfte das Deutz-Aggregat damit passé sein. Auch dem Agco-Power 6-Zylinder mit 8,6 Liter wird diese Motorleistung kaum zu entlocken sein. Und der 7-Zylinder fällt aus den gleichen Gründen wie schon bei der kleinen Raupe weg. Für den nächsten Antrieb wird man außerdem wohl etwas mehr Leistungsreserven als bisher einplanen. Von daher ist es nach meinem Empfinden naheliegend, zu MAN zurückwechseln. Mit MAN pflegt Fendt gerade bei den Großtraktoren ja schon fast eine historische Geschäftsbeziehung. Der neue 9,0 Liter von MAN würde dem 900er wohl sehr gut zu Gesicht stehen…
Teil 2 – Selbstfahrende Erntemaschinen, Feldspritzen und Futtererntetechnik
Feldhäcksler:
Auf der Agritechnica 2013 konnte man bereits ein Konzeptmodell eines Katana 50 als Ergänzung der Baureihe nach unten begutachten. Die Markteinführung fand aber bis zum heutigen Tage nicht statt.
Und das, obwohl eine Serienfertigung durch eine nahezu baugleiche Ausführung zum Katana 65 relativ einfach umsetzbar gewesen wäre. Ein offizielles Statement dazu gab es seitens Agco nicht. Mittlerweile arbeitet im Katana 65 seit der Stufe IV ein MTU R6 - Aggregat, welches den V8 OM 502 von Mercedes Benz ersetzt hat. Von daher glaube ich, dass zur Agritechnica nun das kleinere Modell vorgestellt wird und kurz vor der Markteinführung steht. Ein V8 mit 500 PS war einfach nicht mehr zeitgemäß.
Mähdrescher:
Die Mähdrescherbaureihen sind prinzipiell in den vergangenen Jahren mehr oder weniger alle neu aufgelegt worden. Was sich über die übliche Modellpflege und Anpassung an die gültigen Abgasstufen noch ergibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Vieleicht wissen andere mehr darüber.
Feldspritzen:
Der Rückzug der Marke Challenger aus Europa hat auch Auswirkungen auf die Feldspritzen-Baureihen Rogator, die es als Anhängemaschinen und Selbstfahrer gibt. Diese Produkte sollen zukünftig unter der Marke Fendt vertrieben werden. Dies ließ Agco ja schon unter vorgehaltener Hand durchsickern. Die Verlagerung der Produktion von Grubbenvorst in den Niederlanden nach Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt nährt diese Annahme zusätzlich. Damit wird der Agco-Standort Hohenmölsen weiter gestärkt und ausgebaut.
Mähwerke, Zetter und Schwader:
Nachdem auf der Agritechnica 2015 bereits viele Fella-Maschinen in Fendt-Grün zu sehen waren, erfolgt(e) 2017 nun der Vertrieb der Maschinen. Ob man sich wieder oder sogar noch verstärkt mit der Elektrifizierung - eventuell auch erweitert auf Zetter - beschäftigt, muss abgewartet werden. Vermutlich wird es aber nach wie vor noch bei Konzeptstudien bleiben. Dazu müssten erst mal entsprechende Technologien in den Traktoren serienreif sein.
Ladewagen:
Nach der Vorstellung der VarioLiner bei der letzten Agritechnica sollte eigentlich die Markteinführung 2017 beginnen. Nach den nun bekannt gewordenen Übernahmeplänen für die Futtererntetechnik von Lely hat man das Ganze nun kurzerhand umgeworfen. Schlecht für die Maschinenfabrik Stolpen, die die VarioLiner produzieren sollte. Gut für Agco, denn auf einen Schlag hat man nun eine komplette Ladewagenbaureihe; noch dazu einen der besten und renommiertesten Hersteller der vergangenen Jahrzehnte und man besitzt nun auch deren Produktionsstätte. In Waldstetten muss man nun schon wieder umdenken und sich an eine andere Lackierung gewöhnen, nachdem Lely erst vor kurzem die Marke Mengele endgültig sterben ließ und der neue Eigner die gesamte Ladewagenbaureihe nun exklusiv der Marke Fendt zuordnen möchte, wie man lesen konnte. Die Waldstettener haben ja schon eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich. 1991 wurde Mengele von Bidell übernommen, die wiederum 1997 insolvent gingen. Dann ging das Ganze an die Bohnacker AG durch die Übernahme der Insolvenzmasse 2003. Aber man produzierte am Standort erfolgreich weiter. 2009 ging Mengele Agrartechnik, wie das Unternehmen nun hieß, mit Lely ein Joint Venture ein, bis 2010 Lely die Mengele Agrartechnik komplett übernahm. Und nun deutet alles auf einen erneuten Besitzerwechsel hin. Hoffen wir für die Belegschaft das Beste, dass nun mehr Kontinuität eintritt. Geht die Übernahme wie geplant von statten, werden wir sicher einige grün/graue Ladewagen aus der Tigo-Baureihe auf der Agritechnica zu sehen bekommen.
Rundballenpressen und Wickler:
Nachdem man in der Vergangenheit die Rundballenpressen fremdbeziehen musste (Vicon/Gallignani/Kverneland), wird es auch hier, sobald die Lely-Übernahme in trockenen Tüchern ist, eine konzerneigene Lösung geben. Die Lely-Welger Pressen wird es aber nicht nur in Fendtgrün geben; diese sollen mit den anderen Konzernmitgliedern geteilt werden. Ich würde mir wünschen, dass die Pressen zusätzlich dann auch wieder unter dem ursprünglichen Markenname „Welger“ vertrieben werden, sobald der Markenname „Lely“ nicht mehr verwendet werden darf.
Neben den Rundballenpressen werden auch die Wickler aus dem Lely-Programm übernommen.
So dass soll es dann mal gewesen sein. Bitte entschuldigt, dass es ein so langer Roman geworden ist. Ging irgendwie nicht kürzer! Danken möchte ich alle, die sich die Mühe gemacht haben, sich bis hierher durchzulesen.