langer711 hat geschrieben:Das wird in Summe ziemlich knapp im nächsten Winter.
Da könnte die Kernkraft schon die Versorgungslücke schließen.
Sie müsste ja nicht neu errichtet werden, sondern einfach nur länger laufen.
So sehe ich das auch.
Neue Kraftwerke (egal ob AKW oder Windkraft oder sonstwas) helfen kurzfristig sowieso nicht und Kernkraft ist ein so langfristiges Projekt, dass ich es in den aktuell turbulenten Zeiten für nicht klug halte, sich daran zu binden... Von anderen Problemen mal ganz abgesehen.
Was wirklich viel bringen würde, wäre die Einspeisung von Biogas ins Gasnetz anstatt der direkten Verstromung vor Ort. Ich habe aber keine Ahnung, wie schnell sowas umsetzbar ist. Bis zum Winter kommt man da wahrscheinlich nicht sehr weit mit. Allerdings könnte man so einen erheblichen Teil des Gases, das zur Stromerzeugung genutzt wird, durch relativ günstige und vergleichsweise einfach verfügbare Kohle ersetzen, die klimatechnisch oft auch nicht schlechter als das US-Fracking-LNG ist.
Im Endeffekt ist es ja so, dass auch Biogasanlagen schlussendlich nur Gas zur Stromerzeugung nutzen und das auch nicht übermäßig effizient. Das ist in Zeiten, in denen wir ja eigentlich möglichst auf Gas verzichten wollen, nicht wirklich sinnvoll.
langer711 hat geschrieben:Was spricht dagegen, den Strom aus PV Anlagen (die wir problemlos ausbauen können) vom Tag in die Nacht zu verlagern?
Der Umstand, dass es derzeit nichts bringt.
Die Kohlestromerzeugung von der Nacht in den Tag zu verschieben, nützt dem Klima nichts.
Die entstehenden Wirkungsgradverluste der Speicherung müssten sogar zusätzlich aufgebracht werden, was nicht zu weniger, sondern zu mehr Kohlestrom führt.
langer711 hat geschrieben:dann könnten wir zumindest die Kohlekraftwerke über den Sommer abschalten, denn zum spontanen Ausgleich / Regelbetrieb sind die ja eh zu träge.
Dafür könnten dann Gaskraftwerke dienen, wie jetzt auch der Fall.
Das ist Unsinn.
Kohlekraftwerke sind ungefähr genau so gut für den Lastfolgebetrieb geeignet wie Gaskraftwerke.
Die meisten Limitierungen in der Leistungsregelung entstehen einfach dadurch, dass thermische Kraftwerke allein durch die thermische Masse und natürlich Limits in Sachen Temperaturgefälle in den Werkstoffen eine gewisse Trägheit haben. Welcher Brennstoff genutzt wird, ist relativ egal. Es gibt zwar auch besonders schnell regelbare Gasturbinen, bei denen einige Nachteile entfallen, die werden aber nicht in den üblichen Großkraftwerken eingesetzt, weil die zu ineffizient sind. Für die übliche Stromerzeugung sind sowieso prakrisch keine schnellen Laständerungen nötig und wenn man Kurzzeitspeicher hat, ist das Regelverhalten sogar komplett egal.
langer711 hat geschrieben:Auf lange Sicht ist der PV Strom kaum teurer, als der Kohlestrom oder der Strom aus der Kernkraft.
Im Gegenteil, er wird immer günstiger.
Das ist eine oft gemachte Falschdarstellung.
Da PV nicht Grundlastfähig ist, konkurrieren die Gesamtkosten von PV nicht mit den Gesamtkosten von Kohle- oder Atomstrom, sondern nur mit den Grenzkosten. Da können PV-Dachanlagen nicht mit Kohlekraftwerken oder gar Atomkraftwerken mithalten. Bis es soweit ist, dauert es wohl noch eine ganze Weile.
langer711 hat geschrieben:
Billiger ist es natürlich, wenn man garnix macht und weiter Kohle verfeuert…
Vor allem ist das bis auf wenige Alternativen wie zb AKW Laufzeitverlängerungen die einzige Möglichkeit in den nächsten Jahren (mit Blick auf Russland).
Es gibt schlichtweg keine Möglichkeit, die installierte PV-Leistung in den nächsten Jahren zu verfünffachen oder was du dir sonst noch ausmalst.
Schön wäre es natürlich, aber das Problem mit dem russischen Gas ist ziemlich akut und lässt sich definitiv nicht durch Fantasien lösen, deren Umsetzung selbst im optimistischsten Fall mindestens 20 Jahre dauert.
Ich stimme dir ja vollkommen zu, dass ein Ausbau der PV-Kapazitäten dringend notwendig ist. Aber die Solateure sind sowieso alle ausgebucht, schneller geht also aktuell nicht.
Neo-LW hat geschrieben:Kurzzeitspeicher sind irrelevant.
Stunden-, Tages-, oder Wochenglättungen ist bei dem Zufallsstrom eine Sconto-Marge.
Selbst eine Monatsglättung bringt nur 12 %.
Du verstehst offenbar noch immer nicht, was eine Glättung ist. Das hat mit der Speicherdauer überhaupt nichts zu tun.
Die Wenigsten haben Wärmespeicherung auf dem Schirm, selbst viele ambitionierte Energiewender nicht. Liegt wahrscheinlich daran, dass medial fast ausschließlich Stromerzeugung thematisiert wird. Selbst bei Sektorenkopplung wird meistens von Strom geredet.
Saisonale Wärmespeicherung ist für einzelne Privatpersonen natürlich noch sehr teuer, aber die Aussichten auf Besserung stehen garnicht schlecht, obwohl in dem Bereich kaum subventioniert wird.
Mich würde es nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren vermehrt Kombisysteme aus Solarthermie und großem Wärmespeicher mit integrierter Wärmepumpe angeboten würden. Ich bin zwar insgesamt kein großer Freund von Wärmepumpen aber zusammen mit Solarthermie und großem Schichtspeicher fände ich das schon interessant, weil damit die Solarerträge optimiert werden können und umgekehrt die Solarthermie zu deutlich geringeren Temperaturdeltas an der Wärmepumpe führt, was selbst bei vergleichsweise hohen Vorlauftemperaturen sehr gute Jahresarbeitszahlen verspricht, sodass eine Wärmepumpe auch energetisch tatsächlich mal sinnvoll sein kann. Solarthermie und Wärmepumpen ergänzen sich ganz gut. Die Stromerzeugung im Winter bleibt natürlich ein großes Problem.
Die Nutzung von PV als Dekoelement wird immer sinnvoller, da sehe ich sehr großes Potential. Glaselemente für Balkongeländer sind teilweise kaum noch billiger als PV-Elemente, bei Fassaden gibt es auch interessante Ansätze der Integration. Störend ist da vor allem der Papierkram für die Anlage, das schreckt wohl ziemlich ab.
Neo-LW hat geschrieben:Jede Tonne Kohle dieser Erde wird verbrannt,
Wenn nicht in Deutschland, dann woanders.
Jedes Barrel Öl dieser Erde wird verbrannt,
Wenn nicht in Deutschland, dann woanders.
Jeder Kubikmeter Erdgas dieser Erde wird verbrannt,
Wenn nicht in Deutschland, dann woanders.
Es gibt zwei Dinge, die dagegen sprechen.
Erstens gibt es eine überwältigende Anzahl an Staaten, die sich von fossiler Energie trennen wollen und werden und entsprechende Vorgaben machen oder Abgaben erheben und zweitens hört die Nutzung fossiler Energie ziemlich schlagartig auf, sobald es eine erneuerbare, wirtschaftlichere Alternative gibt.
Es gibt keinen Grund, fossiles Öl zu nutzen, wenn erneuerbares Öl billiger ist.
Die Förderkosten für fossiles Öl steigen im Durchschnitt wohl um rund 12-15% pro Jahr (genaue Angaben sind praktisch nicht zu ermitteln), während erneuerbare Energie immer günstiger wird. Zwar liegen die Kosten in vielen Regionen nach wie vor sehr weit auseinander, aber das wird sich in den nächsten 30-50 Jahren dramatisch ändern. Ich würde heute jedenfalls nicht mehr auf langfristig steigende Ölpreise setzen. Außer vielleicht durch hohe Inflation wird sich da zumindest nach oben nicht mehr viel ändern, da müsste schon Einiges passieren.
langer711 hat geschrieben:Die Kohle wird bestimmt nicht billiger…
Doch, genau das passiert, wenn erneuerbare Energie billiger wird und damit der Kohle Konkurrenz macht. Noch besteht keine nennenswerte Konkurrenz, weil erneuerbare Energie nicht permanent verfügbar bzw meist schlecht speicherbar ist, aber es wird früher oder später passieren.