Hallo Tom,
das ist ein ziemlich komplexes Thema.
Beim holistic planned grazing (ganzheitlich geplante Beweidung) geht es ja nicht prioriär um irgendwelche Beweidungstechnik, sondern darum, mögl. effektiv das zu erreichen, was du (bzw. die ganze Familie) als Kontext für deinen Betrieb festgelegt hast.
Der Kontext ist das, was du dir als ideales Leben in einer ganz fernen Zukunft (die du selbst evtl. nie erreichen wirst) für deinen Betrieb vorstellst.
Und da hat halt jeder etwas andere Prioritäten und Vorstellungen.
Dem einen ist es wichtig, einheitliches, optisch attraktives Vieh zu haben. Ein anderer will mögl. viel Geld verdienen. Und der dritte will evtl. ein kleines Naturparadies schaffen und mögl. viel Freizeit haben, um dieses zu beobachten und zu genießen.
Dazu kommt, dass jeder Betrieb unterschiedlichen Voraussetzungen hat und diese sich auch noch ständig ändern (Wetter, politische Rahmenbedingungen, Markt, usw. usw.)
Es kann also nicht die eine Methode oder Lösung geben, sondern jeder muss für sich die besten Lösungen finden und diese ständig weiter optimieren und an die sich ändernden Verhältnisse anpassen.
Mit irgendeiner starren "Methode" oder einem "System" arbeiten zu wollen, ist in einer komplexen Welt zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.
Wenn du maximalen Biomasseertrag willst, wirst du das Gras nie zu kurz abweiden und nie überständig werden lassen, um immer ausreichend grüne Blattmasse für eine optimale Photosynthese zu haben.
Wenn du eine maximale Leistung des einzelnen Tieres willst, dann wirst du das Futter oft in kleinen Portinen zuteilen, die Tiere aber dabei nie zwingen, mehr als das beste Drittel, also die Blattspitzen, des vorhandenen Aufwuchses zu fressen. Dann hast du eine maximale Futteraufnahme durch den ständigen Futterneid bei Neuzuteilung und gleichzeitig wird nur bestes Futter mit hoher Energie- und Eiweißdichte gefressen.
Wenn du maximalen wirtschaftlichen Erfolg willst, musst du ein optimales Gleichgewicht zwischen diversen Einflussfaktoren finden und dieses Gleichgewicht und deine dazu nötige Weidestrategie ständig den sich ändernden Bedingungen anpassen. Dann wirst du z.B. bei schnellem Wachstum die Rotationsgeschwindigkeit erhöhen, und die Creme an Futterqualität abschöpfen, bei nachlassendem Wachstum aber die Rotationsgeschwindigkeit verringern und auch geringwertiges Futter abfressen lassen, um den restlichen Parzellen ausreichend Erholungszeit zu belassen.
Und wenn du unter schwierigen Bedingungen, wie Savory in seinem spröden Klima in Afrika und den südlichen USA arbeitest, so durch die Verdunstung verkrustete Oberböden aufgebrochen werden müssen, um den darin liegenden Samen die Keimung zu ermöglichen, und alte, vertrocknete, energiearme Pflanzenmasse gefressen und niedergetrampelt werden muss, um die biologischen Prozesse und den Wasserhaushalt wieder in Gang zu bringen, dann muss man die Herde phasenweise auch mal sehr knapp halten und sie Hüten oder stündlich zuteilen, um die nötigen Viehdichten für das Aufbrechen und Niedertrampeln zu erreichen.
In unserem milden Klima brauchen wir solche Extreme zum Glück meistens nicht. Hier reicht es meist schon, nach den Überlegungen von André Voison zu arbeiten.
Sein Buch "Die Produktivität der Weide" kannst du hier als pdf runterladen:
https://www.regenerative-landwirtschaft ... ?f=37&t=83
Das Schöne daran ist, dass man nichts glauben muss, und es sehr einfach selbst testen kann.
So habe ich auch vor ein paar Jahren angefangen.
Ich habe einfach ein Stück Weide mit einer Litze abgeteilt. So groß, dass die Tiere es in max. 3 Tagen runterfressen konnten. Und dann habe ich sie da rein gesperrt, es sie abfressen lassen, und sie dann wieder rausgesperrt und die Entwicklung mit der angrenzenden Dauerstandweide verglichen und die Summe der Weidezeiten (In Großvieheinheiten x Tage / ha) verglichen.
Auf der kleien Fläche mit kurzzeitiger Beweidung und langer Erholungszeit war der Futterertrag schon in den ersten Durchgängen merklich höher als auf der restlichen, ständig kurz abgefressenen Fläche.
Nach mehreren Durchgängen hat sich auch die Pflanzenzusammensetzung verändert. Neben kriechenden Pflanzen wie Rispe und Weißklee, die mit Überweidung gut zurecht kommen, hat sich von selbst wieder ein höherer Anteil ertragsstärkerer Futtergräser eingestellt, die jetzt wieder ausreichend Zeit zur Erholung hatten.
Der nächste Schritt war dann zu lernen, dass ein erheblicher Weiderest in Form von niedergetrampeltem Gras kein verlorener Ertrag ist, sondern eine Investition in die Zukunft. Durch die verbesserte Bodenbedeckung und das Mehr an Futter für das Bodenleben werden der Nährstoff- und Wasserkreislauf verbessert und der Ertrag nimmt durch stärkeren Wiederaufwuchs zu.
In diesem Experimtierstadium befinde ich mich noch. Ich habe mehrere solcher kleinen Testflächen, aber auch noch größere, bisher nicht unterteilte Flächen mit länderer Weidezeit als Vergleich.
Da bei meiner kleinen Herde eine regelmäßige Zuteilung über mobile Zäune ein ernstzunehmender Kostenfaktor pro Tier ist, ist meine Überlegung feste bzw. halbpermanente Abtrennzäune zu bauen und Treibwege, über die ich unter Auslassung schonungsbedürftiger Koppeln die jeweils optimal zu beweidende Koppel erreichen kann, und über die die Tiere zum Wasser und in den Schatten gelangen. Die optimale Lösung für meinen Betrieb habe ich noch nicht gefunden, zumal ich wegen der ****** Ackerstausregelung auch fast jährlich Teilflächen umbrechen und dafür Abtrennzäune abbauen muss.
Die Zuteilung neuer Koppeln lässt sich über programmierbare gate opener teilweise automatisieren. Wenn irgendwann meine Abtrennzaunsammlung steht, werde ich mir wohl ein paar von den Dingern aus Neuseeland bestellen. Mit Koppeln für je 3 Tage und 5 Öffnenern könnte man z.B. in einem Aufwasch 6 Koppeln = 18 Tage weiden und müsste sich nur ab und zu umsehen, ob es den Tieren gut geht.